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München 2018 und der intransparente Umgang mit Steuermitteln: Wirtschaftsplan? Welcher “Wirtschaftsplan”?

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Einige Anmerkungen über Intransparenz als Geschäftsprinzip deutscher Olympiabewerbungen, mehrfach von Rechnungsprüfern als “Unkultur im Umgang mit öffentlichen Mitteln” gerügt.

Die Münchner Olympia GmbH schließt nach jüngsten Turbulenzen die Reihen und teilt in unnachahmlicher Weise mit:

Gesellschafterversammlung erhöht Bewerbungsetat um 10 Prozent und beschließt engere Koordinierung der Gesellschafter

München, 15. Juli – Im Anschluss an die turnusmäßige Gesellschafterversammlung der Bewerbungsgesellschaft München 2018 am heutigen Donnerstag, schauen die Gesellschafter voller Optimismus auf die kommenden Monate. Der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung und Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Thomas Bach betonte, dass alle Beschlüsse mit absolutem Einvernehmen und großer Entschlossenheit zu Stande kamen. „Mit dem Ziel die Bewerbung noch stärker und positiver in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen, haben wir eine engere Verzahnung von Gesellschaftern und Bewerbungsgesellschaft beschlossen“, so Bach weiter. Die Gesellschafter benannten jeweils einen Koordinator, der die Zusammenarbeit stärkt. Prokurist Jürgen Bühl wurde in diesem Zusammenhang zum stellvertretenden Geschäftsführer ernannt.

„Zudem haben wir uns einstimmig und im Einvernehmen der Geschäftsführung auf den Wirtschaftplan der Bewerbung geeinigt.“

Oh, ein “Wirtschaftsplan”.

  • Auf welchen “Wirtschaftsplan” hat man sich geeinigt?
  • Gibt es einen Beweis dafür, dass ein “Wirtschaftsplan” existiert?
  • Warum ist der “Wirtschaftsplan” nicht öffentlich?
  • Warum wird der “Wirtschaftsplan” nicht öffentlich gemacht, so wie es sein sollte, vor allem jetzt, da die öffentliche Hand wieder mit etlichen Millionen als Sponsor auftritt?
  • Warum wird Abgeordneten der Parlamente von Gesellschaftern trotz mehrfacher Anfrage dieser “Wirtschaftsplan” verheimlicht?
  • Was soll/darf die Öffentlichkeit, Hauptsponsor der Bewerbung, nicht wissen?
  • Wo sind die Beweise, dass Sponsoren bislang überhaupt Geldmittel für die Bewerbung bereit gestellt haben?
  • Wie verteilen sich die Sponsorenleistungen – sofern es überhaupt welche gibt – in Geld- und Sachmittel?
  • Wie verteilen sich die Sponsorenleistungen – sofern es überhaupt welche gibt – auf wirklich private Firmen und auf halbstaatliche bzw. staatliche “Unternehmen”, also auf verkappte Subventionen der öffentlichen Hand?
  • Warum gibt es keine sauberen, öffentlich nachprüfbare OCOG- und Non-OCOG-Etats?

Das sind Kernfragen. Das ist so in Deutschland, denn Transparenz ist auch in dieser Olympia GmbH ein Fremdwort. Die Großzügigkeit im Umgang mit öffentlichen Mitteln aber ist enorm. Vor allem der “Hauptgesellschafter” DOSB und sein Präsident Thomas Bach demonstrieren das, denn nennenswerte finanzielle Mittel bringt der olympische Dachverband auch diesmal nicht ein.

Weiter in der Pressemitteilung:

Der Münchner Oberbürgermeister und stellvertretende Vorsitzende der Gesellschafterversammlung Christian Ude stellte heraus, dass auf dem langen Weg zu den Olympischen und Paralympischen Spielen auch das eine oder andere Gewitter aufziehen kann.

„Ab heute scheint die Sonne wieder und die Bewerbung wird nicht an finanzpolitischen Aspekten scheitern. Daher haben wir beschlossen, das Bewerbungsbudget innerhalb des geschätzten Rahmens um 10 Prozent auf 33 Millionen Euro zu erhöhen. Gesellschafterdarlehen sind hierfür nicht nötig.“

  • Warum sagt niemand, dass es sich um Steuermittel handelt?
  • Ist das ein Freibrief für Olympiabewerber, die – wie Bogner – ihre Unkenntnis über die Finanzierung Olympischer Spiele mehrfach bewiesen haben und konsequent Unwahrheiten verbreiten?

Weiter in der Pressemitteilung:

Der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer betonte: „Wir haben genug Projekte in der Pipeline, um genügend Sponsorengelder für die Bewerbung zu akquirieren.“

Aufatmen auch bei den Bürgern in Garmisch-Partenkirchen. Erster Bürgermeister Thomas Schmid weiß: „Durch die Tatsache, dass die Marktgemeinde kein Darlehen nachlegen muss, wird den Bürgerinnen und Bürgern eine große Sorge genommen.“

Auch sicherte Ministerpräsident Seehofer bei den Verhandlungen mit Grundstückseigentümern für die notwendigen Flächen zur Austragung der Olympischen und Paralympischen Winterspiele seine volle Unterstützung zu. Er betonte, dass alle Entscheidungen gemeinsam mit den Bürgern vor Ort getroffen werden.

Willy Bogner, München 2018-Chef, zeigte sich nach der Sitzung sehr zuversichtlich: „Die zugesicherten 33 Millionen Euro machen eine erstklassige Bewerbung möglich. Ich freue mich besonders, dass sich alle Gesellschafter dazu bekannt haben mit ihrem persönlichem Engagement für die Bewerbung einzutreten und die großen Vorteile der Münchner Bewerbung stärker zu kommunizieren.“

Willy Bogner hat übrigens, wenn man den Berichten glauben darf, während der Gesellschafterversammlung zum Thema Finanzen geschwiegen. Eine ausführliche Presseschau findet sich dazu in den Kommentaren dieses Beitrags.

Es ist kein Geheimnis, dass ich die deutsche Intransparenz, die Unkultur im Umgang mit öffentlichen Mitteln und das undemokratische Vorgehen bei der Verschleuderung von Steuermitteln nicht schätze. Den Halbgöttern Seehofer, Bach und Ude seien deshalb als Handzettel Zitate aus den Untersuchungsberichten zu vergangenen deutschen Olympiabewerbungen empfohlen. Das Thema wird in den nächsten Monaten vertieft werden müssen. Aber sicher läuft das in München besser als einst in Berlin und Leipzig.

In der Leipziger Olympia GmbH hatte einst eine Tiefenprüfung im Herbst 2003 ergeben, wenige Monate vor dem blamablen Vorrunden-Aus (sämtlich Zitate aus dem Prüfbericht):

  • Fälle von Aktenvernichtungen.
  • Dass elf Firmen lediglich auf der Grundlage mündlicher Absprachen gearbeitet haben.
  • Ein Vier-Augen-Prinzip sei hierbei nicht berücksichtigt worden.
  • Bis zum 11. November 2003 bestanden keine eindeutigen Vertragszeichnungsregelungen innerhalb der GmbH.
  • Es bestand kein Vertragscontrolling hinsichtlich der Leistungen und Rechnungen der Vertragspartner.
  • Ausschreibungsgrundsätze wurden entgegen der Weisung des Aufsichtsrates nicht beachtet.
  • Für Veranstaltungen der GmbH lagen keine Kostenpläne vor, zum Teil auch keine Nachweise.
  • Eine laufende Kostenkontrolle sei derzeit in der GmbH nicht möglich.
  • Bis zum Tage der Prüfung existierte in der GmbH keine ordentliche Buchführung.
  • Eine einheitliche Anwendung der Reisekostenregelung wurde nicht beachtet.
  • Die Nutzung von zur Verfügung gestellten Pkws entbehrte jeder klaren vertraglichen Grundlage.
  • Das Vergaberecht wurde nicht eingehalten.
  • Die Aktenführung sei zum Teil nicht nachvollziehbar und unvollständig.

Der Prüfer nennt Handlungsbedarf, damit die GmbH den Maßstäben “einer geordneten Tätigkeit” gerecht wird:

  • Aktenvernichtungen haben zu unterbleiben.
  • Aktenverläufe müssen in Zukunft nachvollziehbar sein.
  • Organisatorische und inhaltliche Mängel seien abzustellen.
  • Die Unkultur im Umgang mit öffentlichen Mitteln sei abzustellen.
  • Die Beauftragung externer Firmen sei zu reduzieren (im Beauftragungsfall nur mit klarer Begründung).
  • Die Städte Leipzig und Rostock sollten sich aus dem täglichen operativen Geschäft der GmbH möglichst heraushalten.
  • Satzung und Geschäftsordnung der GmbH bedürfen einer Überarbeitung.

Für Leipzig waren damals 31,5 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln für die Bewerbung verplant, plus etliche hundert Millionen, die bereits verbaut wurden in der Stadt. Wer mehr lesen will: “Operation 2012″.

In Berlin wies der Landesrechnungshof 1996, drei Jahre nach dem Olympia-Desaster (Berlin erhielt nur neun der IOC-Stimmen im Wettbewerb um die Spiele 2000, obwohl noch am Vorabend von mehr als 40 orakelt wurde!) nach, wie seinerzeit exakt 51.305.684,12 DM verpulvert wurden – 40,3 Millionen aus dem Berliner Haushalt und elf Millionen vom Bund.

Hier einige Kernaussagen aus dem Bericht des Berliner Rechnungshofes vom August 1996, der sich liest wie eine Kopie des Leipziger Prüfungsberichts vom November 2003 bzw. umgekehrt:

Eine erhebliche Einschränkung der Erkenntnismöglichkeiten ergab sich auch dadurch, dass der Geschäftsführer der Olympia GmbH Akten der Gesellschaft hatte vernichten lassen (sog. Reißwolfaffäre). Ein Teil der Unterlagen existierte nicht, in der Mehrzahl der Fälle lagen nicht einmal schriftliche Verträge vor. Von den stichprobenweise geprüften Fremdleistungen im Wert von 17,2 Millionen DM lagen jedenfalls nur für Leistungen im Wert von 3,8 Millionen DM (das sind 22 v.H.) Vertragsdokumente vor. Soweit vertragsbegründende Unterlagen wie Angebote, Schriftwechsel über Preisverhandlungen, Aufträge und deren Änderung nicht aufbewahrt wurden oder nicht erstellt worden sind – und das gilt für den weit überwiegenden Teil der geprüften Fremdleistungen –, konnte die Olympia GmbH auch nicht den Nachweis vertragsgemäßer Lieferung und Leistung erbringen. Die Bescheinigung der sachlichen Richtigkeit auf den Rechnungen – soweit vorhanden – allein ist nicht ausreichend. Der Geschäftsführer hat sogar Millionengeschäfte mündlich abgeschlossen.

Besonders lesenswert, Punkt 124 des Rechnungshof-Berichts:

Die Olympia GmbH hat keine privat finanzierte Olympiabewerbung durchgeführt, sondern fast ausschließlich Steuergelder für diesen Zweck verwendet, und zwar im Umfang von über 50 Millionen DM.

Werden statt einer durchaus denkbaren privaten Finanzierung öffentliche Mittel eingesetzt, unabhängig in welcher Form, ist mit diesen vom Steuerzahler aufgebrachten Geldern besonders sorgfältig zu wirtschaften.

Die Verwendung dieser Mittel darf in keinem Fall der parlamentarischen Finanzkontrolle entzogen sein.

Somit verbietet es sich auch, den Begriff der Wirtschaftlichkeit neu zu definieren und jedwede allgemeine sinnvolle oder auch nur vertretbare Mittelverwendung für die Olympiabewerbung als wirtschaftlich anzusehen.

Der Rechnungshof verkennt nicht den politischen Stellenwert, den die Olympiabewerbung gehabt hat. Dieser rechtfertigt aber nicht, die Verwendung der Mittel letztlich nach dem Grundsatz “Der Zweck heiligt die Mittel” zu beurteilen.

Wie gesagt: In München läuft das bestimmt besser.

Obwohl ich da arge Zweifel habe. Denn Willy Bogner, ich sage es erneut, kennt sich in der Olympiafinanzierung nachweislich nicht aus und hat seine Falschaussagen aus etlichen Interviews meines Wissens auch nie korrigiert. Mein Vertrauen hält sich also in Grenzen.


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